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SMATRICS E-Mobility Talk - EPBD
Erstellungsdatum: 03.04.2025

SMATRICS E-Mobility Talk: Rückenwind für den Ladeinfrastrukturausbau durch EU-Gebäuderichtlinie

Beim 6. SMATRICS E-Mobility Talk diskutierten führende Expert:innen über die Auswirkungen der neuen EU-Gebäuderichtlinie auf den Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektromobilität.

Teilnehmer waren Hauke Hinrichs, CEO SMATRICS, Peter Engert, Geschäftsführer Österreichische Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft (ÖGNI), Martin Wagner, Geschäftsführer VERBUND Energy4Business GmbH und Gerald Ebner, Geschäftsführer Österreichisches Volkswohnungswerk, Gemeinnützige Ges.m.b.H.

 

EU-Gebäuderichtlinie als Gamechanger für Elektromobilität

Die novellierte EU-Gebäuderichtlinie, die ab Mai 2026 in den Mitgliedstaaten umzusetzen ist, soll den Gebäudesektor bis 2050 vollständig dekarbonisieren. Damit verbunden ist die verpflichtende Integration von Ladepunkten in Neu- und Bestandsgebäuden – eine für die Energie- und Mobilitätswende entscheidende Maßnahme – und Rückenwind für die Elektromobilität. 

Einigkeit bestand unter den Experten darin, dass Gebäude nicht nur energieeffizient, sondern auch für eine dekarbonisierte Mobilität gerüstet sein müssen. Langfristigkeit ist dabei das A und O, schließlich sollen heute errichtete Gebäude auch noch in 100 Jahren „funktionieren“. 

 

Herausforderungen und Chancen für den Gebäudesektor

Neben ökologischer und ökonomischer Nachhaltigkeit spielt die soziale Nachhaltigkeit bei Gebäuden eine wichtige Rolle – und Mobilität ist ein entscheidender Teil davon. Peter Engert sieht in der Gebäuderichtlinie eine Chance, um den Gebäudebestand CO2-neutral und nachhaltig zu verändern, Menschen weniger mit Betriebskosten zu belasten und eine lebenswerte bebaute Umwelt zu schaffen. Die Umsetzung der Richtlinie innerhalb der nächsten 14 bis 15 Monate erfordert von der Regierung jedoch rasches Handeln.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Umsetzung in Österreich auf Länderebene erfolgen muss, denn Bundesländer sind unter anderem für Bauordnungen, Bauvorschriften und damit auch für energieeffizienzbezogene Regelungen zuständig. Also braucht es nicht eine Anpassung, sondern neun. 

„Die Vorgaben seitens der EU sind an sich schon sehr ambitioniert, die Zeit ist knapp – das wird ein Kraftakt“, so Engert. Er fordert gezielte Finanzierungsmaßnahmen anstelle von Förderungen nach dem „Gießkannenprinzip“ und betont die Notwendigkeit, frühzeitig zu handeln: „Wir können nicht auf die vollständige Umsetzung der Richtlinie warten, sondern müssen jetzt aktiv werden.“

 

Ladeinfrastruktur als Teil der urbanen Energiewende

Ladeinfrastruktur ist ein zentraler Bestandteil der urbanen Mobilitätswende. Aktuell gibt es mit Stand Februar 27.665 öffentliche Ladepunkte. „Öffentliche Ladeinfrastruktur ist in ganz Österreich bereits stabil und gut ausgebaut, jetzt müssen wir in den Wohnraum rein und dort das gleiche machen“, betont Hauke Hinrichs. 

Gerade im urbanen Raum sind Lademöglichkeiten zuhause oder am Arbeitsplatz allerdings noch nicht in dem Umfang vorhanden, wie sie auf lange Sicht gebraucht werden. Blickt man auf Wien, wird deutlich, was das bedeutet: Hier gibt es aktuell rund 930.000 Fahrzeuge und bis 2040 wird ein Bestand von rund 450.000 E-Fahrzeugen erwartet. 

„Der erste Schritt für die benötige Infrastruktur in Wohngebäuden und gewerblichen Immobilien ist die Richtline, welche unter anderem vorsieht, ab 2027 jeden fünften Stellplatz im Neubau oder jeden zehnten im Bestand zu elektrifizieren", erklärt Hinrichs.

Ladeinfrastruktur zu Hause oder am Arbeitsplatz sei entscheidend, damit Elektromobilität in der breiten Masse nachhaltig ankommen kann. „Wir stehen vor einem disruptiven Wandel. Um Elektromobilität nahtlos in die Energieversorgung der Zukunft zu integrieren, müssen Immobilienbranche, Energieversorger und Netzbetreiber zusammenarbeiten.“

 

Smartes Lastmanagement für stabile Stromnetze

Die Integration von Ladeinfrastruktur erfordert daher intelligente Steuerungslösungen. Denn der limitierende Faktor bei Immobilien sei das Netz. „Die größte Herausforderung liegt nicht in der Installation der Ladepunkte, sondern in der Steuerung der Lastverteilung", erläutert Martin Wagner von VERBUND Energy4Business. 

Intelligentes Lastmanagement, netzdienliches Laden und Speichermöglichkeiten können eine gleichmäßige Verteilung der Ladevorgänge gewährleisten. Wagner warnt zudem vor einem Engpass im nächsten Jahr: „Wir dürfen nicht warten, bis die Richtlinie in Kraft ist. Dann wird es einen enormen Ansturm auf Anbieter von Ladeinfrastruktur und Elektriker geben – umso wichtiger ist es, frühzeitig vorzusorgen." 

Zudem braucht es passende Usecases: Für Dauerparker in Mietverhältnissen müssen unkomplizierte Lademöglichkeiten geschaffen werden, ohne operativen Aufwand für die Objekteigentümer.

 

Lösungen für Mieter:innen und Immobilienbesitzer

Auch das Österreichische Volkswohnungswerk hat bereits in 16 Objekten insgesamt 240 Ladepunkte beauftragt. Denn Ladeinfrastruktur am eigenen Stellplatz wird von Mieter:innen vermehrt angefragt und gefordert. Für Gerald Ebner steht fest: „Es kann und soll nicht Aufgabe der Mieter:innen sein, sich um private Lademöglichkeiten zu kümmern." 

Gleichzeitig müsse darauf geachtet werden, dass Investitionen in Ladeinfrastruktur keine übermäßige finanzielle Belastung für Immobilienbesitzer darstellen. „Thermische Sanierung und Ladeinfrastruktur-Nachrüstung sind nur bei ausreichenden Rücklagen möglich. Für gemeinnützige Wohnbauträger kann das schwierig werden – gerade, wenn Maßnahmen, wie die Mietpreisbremse, einen Aufbau der Rücklagen erschweren." 

Nachhaltigkeit im Gebäudesektor sollte aber immer eine Frage des Wollens und nicht des Müssens sein. Das Potenzial der Gebäuderichtlinie liegt vor allem darin, für einheitliche Vorgaben und mehr Tempo zu sorgen.

 

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